Do, 17.07.2008 Mason
Geschlafen haben wir trotz des Ärgers ganz passabel, auch wenn an der 100 Meter entfernten Mautstation alle paar Minuten irgendeine Alarmhupe getrötet hat. Das Rauschen des Verkehrs auf der ebenfalls rund 100 Meter entfernten A4 ersetzt zwar nicht das Meeresrauschen der letzten Tage, wirkt aber auch irgendwie beruhigend und einschläfernd.
Ich bin schon um 06:30 Uhr wach und gehe mit dem Hund raus. Um uns herum ist immer noch nichts los. Also lege ich mich noch ein Stündchen hin, was soll man hier auch sonst tun außer schlafen?
07:50 Uhr, es regt sich was, der Meister ist da und schiebt das Tor auf. Fast zeitgleich kommt der Abschleppwagen angefahren und lädt einen italienischen Audi ab, um den sich sofort gekümmert wird. Vielleicht nur eine Kleinigkeit, die schnell behoben ist. Und tatsächlich, nach nur 20 Minuten klappt die Haube wieder zu. Allerdings bleibt das Auto in der Werkstatt und sein Besitzer alles andere als ruhig. Also wohl doch etwas Größeres, das nicht sofort repariert werden kann.
Ich sehe mir die Werkstatt einmal genauer an. Die Belegschaft besteht nur aus einer Büroangestellten, einem Mechaniker und dem Meister, also nicht gerade ein Großbetrieb. Die verhältnismäßig große Halle ist blitzsauber, dagegen sieht meine Garage zuhause aus wie ein Schlachtfeld. Es gibt 2 Hebebühnen, die aussehen, als wären sie gestern erst eingebaut worden. Alle Spezialwerkzeuge hängen fein säuberlich sortiert an der Wand und auch die Werkzeugwagen der Mechaniker sind in allerbestem Zustand und penibel aufgeräumt. Das hier hat nichts von einer Hinterhofwerkstatt, was mich wirklich sehr beruhigt.
09:30 Uhr, der Audi wird wieder aufgeladen. Anscheinend kann oder soll er hier nicht repariert werden.
09:40 Uhr, der Abschleppwagen postiert sich hinter unserem Fahrzeug. Der Mechaniker kommt, deutet auf die offen stehenden Fenster und sagt: "Close, Camper Garage". Aha, es geht also los. Eine dicke Abschleppstange wird zwischen den Anhängerkupplungen beider Autos montiert und unser Womo so rückwärts in die Halle bugsiert. Das klappt sehr gut, so dass wir nur die letzten Meter etwas vor und zurück schieben müssen, um unser rollendes Heim genau zu positionieren.
10:00 Uhr, eine SMS vom ADAC kommt rein, ein Mietwagen steht zur Abholung am Bahnhof in Vicenza bereit. Nur 2 Minuten später folgt ein Anruf, ob alles soweit in Ordnung ist und wir die Nachricht erhalten haben. Haben wir, aber eigentlich war doch ausgemacht, dass wir abwarten, was genau kaputt ist. Davon weiß der ADAC-Mitarbeiter nichts und weist mich stattdessen darauf hin, dass das Auto bis 11:30 Uhr abgeholt werden kann.
10:10 Uhr, wir holen alle Papiere und Wertsachen aus dem Womo. Irgendwie schaffen wir es, der Bürokraft zu erklären, dass wir ein Taxi nach Vicenza brauchen.
10:35 Uhr, das Getriebe ist raus und die Mitnehmerscheibe sowie der Kupplungsautomat liegen auf dem Werkzeugwagen des Mechanikers. Unglaublich, sowas hab ich auch noch nicht gesehen. Der innere Teil der Mitnehmerscheibe mit dem Ruckdämpfer ist vom äußeren Teil mit dem Reibbelag komplett abgetrennt, einfach durchgebrochen!
10:40 Uhr, ich will noch schnell ein Foto von der Mitnehmerscheibe machen, aber im gleichen Augenblick kommt auch schon das Taxi. Der Fahrer spricht sehr gutes Englisch. Danke, wir sind gerettet! Eine der Antriebswellen hat eine defekte Manschette. Ich bitte den Taxifahrer, dem Werkstattmeister zu erklären, dass das gleich mitgemacht werden soll. Kein Problem, hätten sie sowieso gemacht, ist ja schon alles auseinander geschraubt.
Ich zeige ihm die SMS vom ADAC und erkläre ihm, dass wir nach Vicenza, zur Statione 1 müssen. "Alles klar, Hauptbahnhof Vicenza" antwortet er in fast perfektem Deutsch. Oh Mann, warum sagt er nicht gleich, dass er uns versteht? "Mein Deutsch ist sehr schlecht, Englisch ist besser" antwortet er. Na, wenn ich nur halb so gut Italienisch könnte wie er Deutsch, dann wäre ich mehr als froh.
Es sind rund 25 Kilometer bis Vicenza, während denen wir uns angeregt unterhalten. Am Bahnhof gibt es zum Glück einen Geldautomaten, denn unser Bares reicht nicht mal mehr für das Taxi. Gleich am Eingang finden wir ein Plakat der Mietwagenfirma, so dass wir deren Büro schnell ausmachen können. Wir bekommen einen "Grande Punto", fast neu mit gerade mal etwas über 4.000 Kilometern auf der Uhr. Silbermetallic, vier Türen, eigentlich ein schönes Auto. Wenn da nur nicht dieses nervtötende Geräusch des Blinkers wäre. Piep pip, piep pip, piep pip. Kennt ihr das, wenn es nur eine winzige Kleinigkeit ist, die euch davon abhält, einen Gegenstand zu kaufen? Auch, wenn er ansonsten eigentlich perfekt ist? Dieser Blinker wäre für mich schon der Grund, keinen Punto zu kaufen. Und falls das Teil bei allen italienischen Autos so nervig klingt, dann habe ich auch die Erklärung dafür gefunden, warum hier so gut wie niemand den Blinker benutzt. Ich kann es jetzt nachvollziehen.
Mittlerweile ist es Mittag. Wohin jetzt? Auf dem Weg hierhin hat unsere Tochter McDonalds entdeckt, also erstmal etwas essen. Anschließend frage ich beim ADAC nach, ob sie uns eine Unterkunft besorgen können. Da wir ja jetzt mobil sind, muss das Hotel nicht in unmittelbarer Nähe der Werkstatt liegen. Allerdings weise ich ausdrücklich auf unseren Hund hin, der auf jeden Fall mit muss. 10 Minuten später kommt eine neue SMS, in der die Reservierung eines Zimmers im "Hotel Arie" hier in Vicenza bestätigt wird. Beim folgenden Kontrollanruf sagt die Dame ohne Nachfrage, dass sie sich speziell wegen dem Hund noch mal erkundigt hätte. Das sei gar kein Problem, wir können ihn selbstverständlich mitnehmen. Sie hat auch schon bei der Werkstatt nachgefragt. Morgen um 10:00 Uhr kann der Meister sagen, wann das Womo fertig wird und was die Reparatur genau kostet. Er sagt dann beim ADAC bescheid, der uns wiederum entsprechend informieren wird.
An dieser Stelle möchte ich mich einmal für den wirklich sehr guten Service des ADAC bedanken. Klar, meistens zahlt man jahrelang seine Beiträge, ohne die gelben Engel zu benötigen. Das ist halt so, wie bei einer Versicherung. Und so mancher hat sicher schon darüber nachgedacht, aus dem Club auszutreten und sich das Geld zu sparen. Gut, das muss jeder für sich entscheiden. Aber alleine das Wissen, dass man nur dort anruft und alles wird irgendwie geregelt, ist mir jeden Cent des Jahresbeitrags wert.
Ich gebe die Adresse des Hotels ins Navi ein. Aha, nur 6 Kilometer von hier, also gleich um die Ecke. Na dann wollen wir mal dort einchecken. Die Strecke führt mitten durch die Stadt, und schon nach wenigen Metern kommen mir ernsthafte Zweifel, ob Italiener zum Autofahren überhaupt eine Prüfung ablegen müssen. Die Beachtung von Vorfahrtregeln und Straßenmarkierungen scheint ihnen körperliche Schmerzen zu bereiten. Ich halte an einem Zebrastreifen, an dem eine ältere Frau mit einem Kind an der Hand darauf wartet, endlich über die Straße gehen zu dürfen. Beide können es kaum glauben und bedanken sich bei mir, als hätte ich sie zum Essen eingeladen. Ein Hupkonzert löse ich damit nicht aus, also müssen meine Hinterleute wohl irgendwann schon einmal etwas von einem Fußgängerüberweg gehört haben.
Das Hotel ist wirklich schön, hat 3 Sterne und ein kleines Restaurant. Das Zimmer ist hell und freundlich eingerichtet, das Bad ausreichend groß, die Dusche sogar verhältnismäßig riesig. Und für unsere Tochter ist das Beste ganz klar der Fernseher, den wir im Wohnmobil absichtlich nicht mitnehmen, obwohl eine Sat-Schüssel und ein Receiver vorhanden sind. Das einzige deutschsprachige Programm im Hotel ist zwar RTL, aber besser als nichts.
Unsere Garderobe beschränkt sich zurzeit auf das, was wir gerade am Leib tragen. Also fahren wir zurück zur Werkstatt, um wenigstens ein paar Klamotten zum Wechseln und das Nötigste für die Körperhygiene aus dem Womo zu holen. Das schwebt im Moment allerdings etwa 2 Meter über dem Boden, und da der Motor von unten durch eine Stütze am Herausfallen gehindert wird, kann man die Hebebühne im Moment nicht herunterfahren. Zum Glück wiegt unser Töchterchen keine 30 Kilo, so dass ich sie so weit hochheben kann, dass sie von einem Arm der Hebebühne an die Wohnraumtür gelangt. Sie gibt uns die Sachen herunter, die wir in einem Rucksack verstauen. Als ich sie gerade wieder herunterheben will, kommt der Mechaniker mit einer Leiter um die Ecke. Aber warum sollte man es sich einfach machen, wenn es auch umständlich geht?
Zurück im Hotel probieren wir nacheinander die Dusche aus. Zugegeben, es hat schon was, so eine richtige Dusche in einem richtigen Bad in einem richtigen Zimmer. Aber schnell sind wir uns einig, dass das für 3 Wochen Urlaub doch nicht das Richtige für uns wäre. Wir lieben unser rollendes Heim, mit dem wir jeden Tag woanders stehen können, wenn wir wollen.
Mal sehen, was Vicenza sonst so zu bieten hat, also ab ins Auto Richtung Innenstadt. Mehrmals sehen wir Schilder, die uns den Weg zur Touristen-Information weisen. Und jedes Mal folgen wir ihnen in der Hoffnung, am Ziel etwas über Vicenza zu erfahren. Um es kurz zu machen: Wir haben es in über einer Stunde nicht geschafft, die Touristen-Information zu finden! Die Hinweise enden immer im Nirwana, obwohl wir zu dritt Ausschau halten, was das Zeug hält. Vielleicht stellen wir uns ja auch einfach nur zu blöd an, jedenfalls parken wir irgendwann und laufen einfach Richtung Stadtzentrum.
Vicenza gefällt uns sehr gut, eine interessante Mischung aus Geschäftsstraßen und kleinen Gassen, in denen man gemütliche Cafés findet. Dazwischen sieht man immer mal wieder eine Statue oder ein in eine Hauswand eingelassenes Gemälde, wirklich sehr interessant.
Nach etwa 3 Stunden zieht es uns so langsam wieder zurück ins Hotel, der Tag war aufregend und wir sind doch ziemlich müde. Dort angekommen, fallen wir dann auch gleich in die Kojen und schlafen tief und fest.